Vorwort:
Über die Geschichte der Kapelle gibt es leider nur recht spärliche schriftliche Unterlagen. Es war wohl schon immer so, daß die Musikanten lieber zu Klarinette und Trompete als zu Feder und Tinte gegriffen haben. Das meiste, was wir heute aus den Anfangszeiten der Kapelle wissen, stammt aus mündlicher Überlieferung. Als älteste schriftliche Quelle gilt eine Festschrift, die im Jahre 1921 anläßlich des 100-jährigen Bestehens der Kapelle erstellt wurde. Die Informationen und Daten über die Kapelle im 19. Jahrhundert beziehen sich großteils auf diese Quelle. Der folgende Text wiederum stammt aus der Festschrift aus dem Jahre 1996 (175-jähriges Jubiläum). Verfaßt wurde die Chronik von Herrn Prof. Dr. Clemens Auer, dem wir an dieser Stelle nochmals herzlich danken für seinen gelungenen und interessanten Überblick über die Geschichte unserer Kapelle.
Bürgerkapelle Sand in Taufers (1821-1996)
Jubiläen sind Freudenzeichen, daß ein Verein lebt und ein Volk Feste feiern kann. Die erste Jahrhundertfeier der Musikkapelle Sand in Taufers wurde im Jahre 1921 begangen, kurz nach dem schrecklichen Debakel des Ersten Weltkrieges; dazu hatte der damalige Dekan Dr. Eduard Stemberger, der Geduldapostel, den legendären Ausspuch getan: „Jetzt hat es der Herrgott so gefügt, daß wir bei einem fremden Bauern so lange ‚unterstehen‘ sollen, bis die größten ‚Gewitter‘ vorüber sind. Tun wir nur fest auf Gott vertrauen!“ Inzwischen sind einige ‚Gewitter‘ über Land und Sand hinweggerauscht und haben in den Köpfen und Herzen der Leute vieles verändert. Und in solch veränderter Zeit feiert die heutige Sandner Musikkapelle ihre 175. Wiederkehr ihrer Gründung durch den damaligen Landsmann und Kooperator an der Pfarre Taufers, Hochw. Herrn Josef Reden, Hutmachersohn in ‚Obersand‘, den Komponisten und ersten Kapellmeister daselbst. Man schrieb das Jahr 1821. Österreichische Kaiser zu Wien war dazumalen Franz I. aus dem Hause Habsburg. Sein Staatskanzler war der berühmt-berüchtigte Metternich, vom Volk genannt der ‚Wetterstrich‘! Auf Petri Stuhle in Rom saß Papst Pius VII., und Pfarrer in Taufers war der weiland Domprediger von Brixen, der Hochw.gste Josef Seeber, und Landrichter war der hochgeachtete, kunstfreudige Ausgustin von Leys zu Paschbach.
Die junge schneidige Musikapelle kam schon balde zu Kräften und Ehren unter den ersten Kapellmeistern, Reden’s Nachfolgern: Erharter, Ofner, Gasser und Mühlsteiger; dann unter Steger, Jungmann, Moll und Ingarten.
1889 bis 1891 setzte man aus, es war Krise, Blas-Pause! Dann ging’s wieder husig aufwärts und sogar auswärts unter Leimegger, dann mit dem Kößl-Wastl, mit Moll und Reden Philipp, dem bewährtesten Musik-Motor der Sandner Kapelle. Weiter froh und ‚fruitig‘ musizierte man dann unter den Kapellmeistern Schneider, Hochw. Koller, Jöchl-Philipp Reden, Stumpf und wieder Jöchl. Dann ‚kuschte‘ man 20 Jahre lang unter dem unvergessenen Lehrer und Organisten Josef Vigl, dem musikalischen Vollblut und jovialen Stockmeister.
Über die Options- und Zweite Weltkriegs-Zeit hinweg retteten die beiden ‚Huter‘, Alois und Philipp Reden, die arg dezimierte Sandner Kapelle.
1948 kam Josef Vigl als Rückwanderer wieder nach Sand und leitete die Kapelle flott und freudig, bis ihm die Kräfte schwanden und er seine ‚Zauberrute‘ abtrat – wieder an einen Reden, den Herrn Josef Reden, vulgo Huter Pepe. Unter seiner Führung feierte die Kapelle das 150-jährige Bestandsjubiläum im Jahre 1971. Anschließend übernahm der Mühlwalder Musikprofessor und Organist Siegfried Mair am Tinkhof die Leitung der Kapelle. Er war es, der die Kapelle in den folgenden fünfzehn Jahren mit dem ihm eigenen Schwung und Elan ins „moderne Zeitalter“ führte. Auf in folgte dann Bruno Muser, der in den nächsten beiden Jahren die Akzente in der Kapelle setzte und heute noch als Direktor der Musikschule Taufers das Musikleben in Sand maßgeblich mitbestimmt. Im Jahre 1991 übernahm Helmuth Erlacher aus Bruneck die Führung der Kapelle, ein musikalisches und pädagogisches Ausnahmetalent, der seine Musikanten meisterhaft mit Zuckerbrot und Peitsche (sprich: Dirigentenstab) zu bändigen weiß. Unter seiner Führung schickt sich die Kapelle an, wieder an die „alten, glorreichen Zeiten“ anzuknüpfen.
Es ist das vierte Mal, nach 1921, 1971 und 1982, daß die Kapelle groß feiert, wieder einmal an Ursprung, Fortgang, Glanz und ‚Elend‘, kurzum an den Zeitenwandel denkt, innehält und die Schicksale der Kapelle, die Platzkonzerte und Kirchenfeste, Aufmärsche und Ausrückungen im großen Vereinsgedächtnis Revue passieren läßt. Sie sind bereits dreimal, in den Jubeljahren 1921,1971 und 1982, aufgezählt und beschrieben worden, drum werden sie diesmal übergangen.
175 Jahre Musikkapelle! Wieviel unterschwellige, mühsame, geduldige erst Aufbau-, dann Routine-Arbeit! Ab und zu ‚menschelte‘ es; man blies nimmer, bis es dem ‚Färber‘-Franz zu dumm wurde und er die sensiblen mummigen Mander gehörig vergatterte. So geschehen, wie schon gemeld’t, anno 1891! und sie bliesen wieder und bumsten zur eigenen Ehr und zum wahren Gaudium der Hörer. „Die Musig tut wieder!“, so hörte man die Sandner sagen, und man staunte über das Ereignis. Und so war die Welt wieder im Lot und das Jahrhundertende nimmer weit.
Indessen war Sand zum ersten Fremdenverkehrsort des ganzen langen Tales aufgestiegen. Die ‚Fremden‘ hatten den Ort entdeckt: erst die Bergsteiger, dann die ‚Dokterer‘, die sich im Bannkreis der Elementargeister: Wasser, Luft und Erde, von zwei Wunderheilern ‚gesunddoktern‘ ließen: im vorigen Jahrhundert von Dr. Franz von Ottenthal zu Neumelans und in unserem Jahrhundert von Dr. Anton Mutschlechner, dem legendären Hörschtma Dokta! Die Sandner wurden zusehends weltoffener, menschenfreundlicher, umgänglicher, auch dank der sittigenden Wirkung der Musikapelle mit ihren Klängen und Rhythmen, die durch die Ohren in die Herzen fallen und dort Freude und Begeisterung zünden. Ja, die schmucke unnd schmissige Sandner Kapelle hatte die hohe Ehre, bei den Kaisermanövern des Jahres 1886 in Bruneck vor Kaiser Franz Joseph I. und Seiner Generalität aufzuspielen. Seine Majestät soll sich sehr lobend geäußert und Seinem Stabsobersten gesagt haben: „Halte er mir die Burschen in Evidenz!“ Das mußte ihr Stölzl ja kitzeln. Auch spielten sie bei Ausrückungen vor Erzherzögen, und vor Ort in Schrottwinkel vor August III. von Sachsen anno 1914.
Vom ersten Weltkriege sind sechs Musikanten nicht mehr zurückgekehrt. Unvergeßlich für die paar ganz Alten aus Sand bleibt das Erlebnis auf dem Bahnhof, wie nämlich die abrückenden Musikanten selber den Abschiedsmarsch spielten und dann ihren Lieben die Instrumente wortlos übergaben, um sie nach Hause zu tragen. Ade!
175 Jahre Musikkapelle ! Die Sandner wollen mitjubeln mit ihrer geliebten, gehätschelten Kapelle und großtun in Ehren: „Das ist unsre Kapelle, wie diese ist keine ! Pardon ! wie diese sind wenige im Lande!“ In heutiger Zeit, da wirtschaftliche Werte überbetont werden, ist es besonders angebracht, nach idealeren Ausschau zu halten, solchen des Gemüts und des Kunstgeistes – diese veredelnde Arbeit leistet die Musikapelle; sie ist für die Dorfgemeinschaft ein wahres Glück, Zierde und Zucht der Geselligkeit und Muster bügerlichen Wohlverhaltens.
Allein schon die Tracht adelt den Musikanten, stellt ihn aufs Podium der Ehre zur bewundernden Anschauung; wieviel mehr muß sein Können die Hörer begeistern ! Musik machen heißt Sturm entfachen in den Herzen der Menschen, daß Freude aufkommt und Jubel und Sympatie mit allen Mitfühlenden.
Ein Hoch auf die Musikanten, die schneidigen Botschafter der Lebensfreude ! Die Musikapelle ist die Lokomotive der feiernden Gemeinde, die Seelenfängerin und Stimmungsmacherin: